Michael Degen Gesundheit 2019 – “Ich hatte vier Kinder zu ernähren”, kommentierte er gerne, “früher habe ich Schrott geschossen.” Degen war auch Charakterpantomime, spielte viele klassische Rollen, darunter „Hamlet“ 300 Mal. Das Theater war die andere Seite seiner Arbeit, die ihm immer wichtiger war, aber nicht so populär war. Damit musste sich Michael Degen abfinden.
Aber Schauspielerei kann auch ein Segen sein. Weil er sich als kleiner Junge auf der Flucht vor den Nazis in Rollen und Texte geflüchtet hat. Sie wurden sein Trost und Anker. Und es war diese Literatur, diese Kultur der Dichter und Denker, weshalb er nach seiner Emigration nach Israel nach Deutschland zurückkehrte. Immer wieder soll Degen auch Rollen und Filme auswählen, mit denen der Holocaust und das Trauma seiner Kindheit verarbeitet wurden. Dafür schlüpfte er sogar in eine ganz andere Rolle: die des Buchautors, als er 1999, mehr als ein halbes Jahrhundert später, ein Buch über seine Kindheit als Jude im Nazireich schrieb, von der viele nichts wussten Über. Und das hat viele überrascht
Darin schildert Degen, der 1932, nur ein Jahr vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, geboren wurde, wie seine Mutter 1943 mit ihm in Berlin untertauchte, als er erst elf Jahre alt war, und wie sie sich zu zweit in Gartenlauben und Kellern versteckten Jahre, immer in Angst, entdeckt, verraten und deportiert zu werden. Aber er beschrieb auch, wie sie immer Hilfe und Almosen erhielten, wenn sie in Not waren. Deshalb gab er dem Buch den programmatischen Titel „Nicht alle waren Mörder“. Diesen Satz führte er immer wieder als Begründung an, wenn man ihn manchmal verständnislos fragte, warum er ins Land der Mörder zurückgekehrt sei.
Schauspielausbildung am Deutschen Theater
Sein Vater, Jacob Degen, wurde im Konzentrationslager gefoltert und starb 1940 an den Folgen. Sein älterer Bruder Adolf wurde rechtzeitig nach Palästina geschickt, wohin ihm Michael auf Wunsch seiner Mutter 1949 folgte. Und wo er während des Unabhängigkeitskrieges auch in den israelischen Streitkräften diente. Aber nach zwei Jahren kehrte er zurück. Zurück zur Mutter, aber auch zur Muttersprache. Und trug damit zum kulturellen und geistig-moralischen Wiederaufbau des Landes bei.
Bereits 1946 hatte er am Deutschen Theater eine Schauspielausbildung absolviert und auch in Israel an Theatern gespielt. Nach seiner Rückkehr holte ihn Bertolt Brecht 1954 an das Berliner Ensemble, dem unzählige Engagements auf allen großen Bühnen unter namhaften Regisseuren folgten. Schon früh sicherte sich Degen aber auch ein zweites Standbein im noch jungen Medium Fernsehen, wo er ab 1964 präsent war. Mit einer gewissen Herablassung, die damals für viele Theaterpantomimen charakteristisch war, wurde auch dieses Thema bedient. Weil damit gutes Geld verdient wurde. Und Sie wurden hier an einem Abend von mehr Menschen gesehen als in tausenden Theateraufführungen. Zugegeben, Degen war bei der Rollenwahl nicht immer so anspruchsvoll wie auf der Bühne.
Aber die Vergangenheitsbewältigung war ihm immer wichtig, hier wie dort. Im Theater etwa in Peter Zadeks legendärem KZ-Musical „Ghetto“ an der Freien Volksbühne Berlin, in George Taboris schmerzhaften „Kannibalen“ in Wien oder in Thomas Bernhards Skandalstück „Heldenplatz“. Im Fernsehen in Miniserien wie „Die Oppermann-Schwestern“ (1983) nach Feuchtwanger oder „Geheime Reichssachen“ (1988), wo er Adolf Hitler spielte. Und im Kino in Holocaust-Dramen wie „Babij Yar“ (2001) oder „The Last Meal“ (2017).
Immer wieder hat er sich mutig und trotz aller Anfeindungen gegen die Hartgesottenen, gegen Alt- und Neurechte ausgesprochen, auch wenn er dafür sogar Morddrohungen erhielt. Und der mit seinem ebenfalls 2006 verfilmten ersten Buch mit Nadja Uhl als Mutter und Aaron Altaras als jungem Alter Ego endlich seine gesamte private Geschichte öffentlich machte.
Ein Donna-Leon-Film pro Jahr
Der Buchautor, das war seine späte zweite Karriere, die ein weiteres Sprachtalent in ihm offenbarte. Degen, ein Mann mit vielen Talenten. Er schrieb Romane wie „Blondi“, der die Nazigräuel aus der Sicht von Hitlers Schäferhund erzählt, aber auch „Familienbande“ über das schwierige Verhältnis zwischen Thomas Mann und seinem jüngsten Sohn Michael. In all diese Projekte könnte auch ein Donna-Leon-Film pro Jahr einbezogen werden. Die Popularität könnte dann wieder für die wichtigen Themen genutzt werden.
Michael Degen konnte auf eine 70-jährige Karriere zurückblicken. Und er hätte sich längst zurücklehnen können und das zu Recht. Aber halt, das war nichts für ihn. Dafür liebte er das Glücksspiel zu sehr. Aber er musste auch schmerzlich mit ansehen, wie der Antisemitismus im ganzen Land wieder an Fahrt gewann. Auch in dieser Hinsicht konnte er nicht aufhören. Als Zeitzeuge, Mahner und Mahner. Diese Stimme wird fehlen.
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